Kopfbild für Karl J. Schönweiler
Leseprobe


Leseprobe aus „Unterwegs mit dem Sonnengesang“


Franziskus schrieb den Sonnengesang um 1224 in altitalienischer Schriftsprache. Eine Dichtung, die nicht so recht zu unserer Welt zu passen scheint. Die Sprache jedoch ist ebenso einfach wie direkt. Und der Inhalt dieser Verse ist heute so aktuell wie vor 800 Jahren. Wenn wir heute Kindern und anderen Menschen etwas Grundlegendes über den christlichen Glauben vermitteln können, dann sicherlich mit den Themen der Verse des Sonnengesangs.

Den Schöpfer für die Schaffung der Welt zu preisen ist das hohe Lied des Sonnengesangs. Der Sonnengesang will uns Menschen aufmerksam machen auf Gott und die Welt. Die acht Verse umfassen die Erde mit allem was darauf existiert, die Elemente, den Kreislauf des Werdens und Vergehens, sowie den gesamten Kosmos, von der Sonne, den Planeten bis hin zum kleinsten Blümlein auf der Erde. Der Sonnengesang drückt die tiefe menschliche Dankbarkeit gegenüber der Genesis, der Schaffung der Welt durch Gott, aus.


Schritte weg von sich selbst

Sonnengesang

Das Dorf hinter sich lassen. Bergauf schon ein gutes Stück unterwegs - doch kaum von sich weggekommen. Der Alltag klebt noch an den Schuhen. Unterwegs mit einem ungewöhnlichen Menschen, Franziskus. Einer Lichtgestalt, die als Lebemensch und Glücksritter ins Leben gestartet ist und der seine Fröhlichkeit, sein heiteres Wesen nie verlor.

Am Waldrand zeigt sich ein schöner Ausblick. Mit dem Bild des Dorfes inmitten der schönen Landschaft öffnet sich auch der Betrachter selbst. Atmen, sich lösen. Sich der Schöpfung bewusst werden. Schmetterlinge und Wiesenblumen wahrnehmen, Gezwitscher am Heckenrain, das Summen über den Wiesen. Das Dorf liegt von dieser Anhöhe aus betrachtet geradezu vor einem. Aus dem Ensemble der Häuser ragt der Kirchturm hell empor, weist nach oben. Über die beiden Kirchtürme in Hohenstaufen hinaus.

Zurück kommt ein in sich gekehrter Sinnsuchender. Eine Erscheinung in jener Nacht veranlasst ihn, als Einsiedlermönch dem Wort Jesu zu folgen. In einem Evangelienbuch erkennt er, dass es um mehr geht als darum, weltlichen Ehrgeiz und Luxus aufzugeben. In verständlichen Worten seiner Muttersprache will er von nun an vom Leben Jesu, von seiner Botschaft und seinem Wirken künden.



Sei gepriesen für Sonne, Mond und Sterne

Nach dem Eingangslob über den Höchsten eröffnet Franziskus den lyrischen Bilderreigen mit dem Vers über die Sonne.

Die Sonne als lebensspendendes Element wurde bereits in der Frühzeit von den Menschen als Gottheit verehrt. Zu Franziskus Zeiten und lange zuvor gab es Menschen, die eine ganzheitliche Sichtweise der Welt erkannt hatten. Während in Europa noch die Meinung vorherrschte, die Erde sei der Mittelpunkt der Welt, hatten in Indien schon im 6. Jhdt. Astronomen erkannt, dass die Planeten unseres Sonnensystems um die Sonne kreisen. Für Franziskus ist der Mittelpunkt der Welt Gott, der sie geschaffen hat. Und die Sonne ist für ihn Sinnbild Gottes, von Gott geschaffen. Sie ist es, die das Leben auf der Erde ermöglicht - die uns den Tag schenkt. Auch wenn sie hinter dicken Wolken unseren Blicken verborgen ist, können wir trotzdem die schöne Landschaft sehen. Die Sonne, die uns die Farben zeigt und uns Wärme spendet. Deshalb sollen wir ihre Kraft auch dankbar nutzen. Heute reden wir von Stromerzeugung durch die Sonne, mit der wir Alltagsgeräte betreiben. Ja, sogar uns fortbewegen. Mit einem Hohlspiegel können wir auf einfache Weise unser Essen kochen. Wenn wir eine kleine Metallschale in der offenen Hand gegen die Sonne halten, würden wir ihre Energie so stark spüren, dass es uns schmerzen würde. Allein die maßvolle Einwirkung des Sonnenlichtes kann Leben entfalten und erhalten.

Einmal am Tag, egal wo wir gerade sind, uns eine Minute Zeit nehmen, die Sonne richtig wahrzunehmen, zu genießen. Im Stehen oder Sitzen. Ihr dabei die offenen Handflächen und das Gesicht entgegenhalten und ihre Wärme, selbst ihr Licht noch mit geschlossenen Augen wahrnehmen – eine wohltuende Übung.


Sonnengesang mit Hohenstaufen

2. Vers Sonne

Gelobt seist Du, mein Herr,
mit all Deinen Geschöpfen,
besonders der Schwester Sonne,
die uns den Tag schenkt
und durch die Du
uns leuchtest.
Und schön ist sie
und strahlend
mit großem Glanz;
Von Dir Höchster
ein Sinnbild.


Im Filter der Demut sieht Franziskus, getroffen vom Lichtstrahl des Schöpfers, hinter diesem Licht Jesus, von dem her ihm die Zusammenhänge: „Schöpfung – Gott - Mensch“ klar ersichtlich wurden. Und Jesu Worte weisen ihm den Weg: „Ich bin das Licht, die Wahrheit und das Leben.“