Leseprobe aus „In den Gassen der Kindheit“
„…Gang mol zom Wahle-Beck ond kauf a Päckle Ibedomm.“
Dreifuß und Wasserglas
Wir Kinder sind im Dorf in einer vielfältig aktiven Arbeitswelt aufgewachsen. Wir Bauernkinder wussten mit acht, neun Jahren, was eine Dreschmaschine ist oder eine Strohschneidemaschine. Wir kannten die Funktion eines Krauthobels - oder wie man einen Schraubstock handhabt.
Wir halfen beim Einschirren der Kühe am Leiterwagen. Wir kannten die Funktion eines Flaschenzuges, waren Hilfskräfte, wenn Vater ein Rad abmachen musste, um die eisernen Enden der Wagenachsen mit Wagenschmiere zu bestreichen. Wir hielten Herz, Nieren, Leber und Zunge vom Schwein beim Hausschlachten in den Händen, wussten nicht nur, wie diese Organe aussahen, sondern auch, wie sie schmeckten.
Wir sahen zu, wie man Natronwasserglas ansetzt, um die Eier fürs Weihnachtsgebäck haltbar zu machen, oder eine Salzlake, in welche das Fleisch fürs Räuchern gelegt wurde. Die Mädchen kannten schon früh die Funktionsweise des neuen elektrischen Mixers (wenn vorhanden) ebenso, wie die der fußbetriebenen Nähmaschine. Vermutlich lernten viele erst mal Feuermachen im Küchenherd. Wir hatten Vieles, nur eines nicht: einen Fernseher.
Dafür lernten manche beim Imker die zentrifugale Wirkung einer Honigschleuder kennen. Andere kannten die Funktionsweise einer Teigmaschine beim Bäcker oder Werkzeuge und Maschinen beim Wagner, Schreiner oder Schmied. Wir kannten eine Hobelbank ebenso wie den Dreifuß. Ich lernte bei meinem Schuhmacheronkel sämtliche Leisten zu unterscheiden, nach Größe und Art.
Wir waren Handlanger beim Aufstellen eines Baugerüstes, lernten wie Speis und Beton angemacht wurden und verfolgten interessiert, wie eine Mauer aufgezogen wurde. All diese Dinge haben wir quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Unsere Eltern hatten kein Auto, aber wir konnten als Jugendliche über Feld und Wiesen mit dem Traktor, sprich Bulldogle fahren. Wir Buben, und teils auch die Mädchen waren vertraut mit Fachbegriffen aus verschiedenen Arbeitswelten, die nicht einmal unsere Lehrerin oder der Lehrer kannten.